Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Freitag, 21. August 2015

Zudem besteht die Gefahr, die Restrukturierungsmöglichkeiten der §§ 5 ff. SchVG durch Kündigungen von Anleihegläubigern leerlaufen zu lassen. Überzeugend löst das OLG diese inhärenten Konflikte durch Abstellen auf die Anleihebedingungen. // den Görg-Restructurierungs-Adepten nochmals ins Stammbuch geschrieben.....es sind keine Querulanten sdie einen Sondervorteil suchen sondern Bondholder die auf Vertragsgrundlage ihr positives Interesse durchsetzen durch Kündigung und folgende Zaahlungsklage....

EWiR 2014, 771

Zur Kündigung einer Anleihe in Insolvenznähe
BGB § 305c Abs. 2, § 307 Abs. 1, §§ 314, 490 Abs. 1; SchVG §§ 5 ff.
OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17. 9. 2014 – 4 U 97/14 (rechtskräftig; LG Frankfurt/M.), ZIP 2014, 2176 = DB 2014, 2521
Leitsatz des Verfassers:
Die Kündigungsregelung in Anleihebedingungen für den Fall, dass die Emittentin „(…) eine allgemeine Schuldenregelung zu Gunsten ihrer Gläubiger anbietet oder trifft (…)“, ist dahin gehend auszulegen, dass den Gläubigern ein Kündigungsrecht zusteht, wenn die Emittentin ihnen einen Beschlussvorschlag i. S. d. §§ 5 ff. SchVG unterbreitet, wonach die Anleihebedingungen in einer Weise geändert werden sollen, dass den Gläubigern nicht mehr der volle nach den bisherigen Anleihebedingungen ihnen zustehende Leistungsanspruch zusteht.
Clemens Just, Dr. iur., LL.M. (London), Solicitor (England & Wales), Rechtsanwalt, Partner – McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater LLP, FrankfurtM.
1. Die Beklagte ist ein Solarunternehmen, das 2010 eine Anleihe begeben hat. Die Anleihebedingungen sahen Kündigungsmöglichkeiten u. a. für den Fall vor, dass die Beklagte „eine allgemeine Schuldenregelung zu Gunsten ihrer Gläubiger anbietet“, bzw. bei Bekanntgabe der Zahlungsunfähigkeit oder allgemeiner Einstellung ihrer Zahlungen. Am 24. 1. 2013 veröffentlichte die Beklagte eine Ad-hoc-Mitteilung, wonach gravierende Einschnitte bei den Verbindlichkeiten der Gesellschaft, vor allem den Anleihen, notwendig seien. Die Klägerin erwarb danach die streitgegenständlichen Schuldverschreibungen zum damaligen Marktpreis i. H. v. 22 % des Nennwerts. Im April und Mai 2013 veröffentlichte die Beklagte weitere Ad-hoc-Mitteilungen, in denen allgemein bekanntgegeben wurde, dass wesentliche Beschlüsse hinsichtlich einer finanziellen Restrukturierung der Beklagten durch die Hauptversammlung der Gesellschaft und die Gläubiger der ausgegebenen Anleihen im August 2013 geplant seien. Die Gläubigerversammlung der Beklagten beschloss am 5. 8. 2013, dass die Finanzgläubiger, darunter die Anleihegläubiger, auf ihre Forderungen i. H. v. 55 % verzichten und dafür neue Aktien der Beklagten erhalten sollten. Die Klägerin sprach jeweils Kündigungen mit Schreiben vom 31. 5., 18. 7., 8. 8. sowie 13. 8. 2013 aus. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigungen. Das LG wies die auf Rückzahlung eines Teils des Nennbetrags der Anleihen gerichtete Klage ab.
2. Das OLG hat die Klage im Wesentlichen als begründet angesehen; die Anleihen der Klägerin seien wirksam außerordentlich gekündigt worden, so dass ihr die eingeklagte Summe gegen Aushändigung der substituierten Wertpapiere zustehe.
Hinsichtlich der Kündigung vom 31. 5. macht das OLG deutlich, dass die vorangegangenen Ad-hoc-Meldungen, die Zahlungsunfähigkeit sei nur durch den geplanten Schuldenschnitt zu erhalten, noch keine Bekanntgabe einer Zahlungsunfähigkeit sei. Die Zahlungsfähigkeit bestehe zu diesem Zeitpunkt gerade noch und könne daher auch keine Kündigung rechtfertigen. Auch könne noch kein Anbieten einer allgemeinen Schuldenregelung angenommen werden, da die Ad-hoc-Mitteilungen vom April und Mai noch keine konkreten Angaben enthielten, in welcher Weise eine Änderung der Anleihebedingungen von der Beklagten beabsichtigt sei. Die Kündigung vom 31. 5. könne auch nicht auf § 314 BGB gestützt werden. DessenEWiR 2014, 772Kerngehalt sei zwar zwingendes Recht. Allerdings könne durch die Anleihebedingungen der Inhalt beschränkt werden, vorliegend einzelne Umstände und bestimmte Gründe als zur außerordentlichen Kündigung berechtigende wichtige Gründe ausgeschlossen werden. Ein solcher Ausschluss sei auch durch Anleihebedingungen möglich, die als AGB einer nach dem SchVG modifizierten Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen. Eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB könne nicht angenommen werden. Aus denselben Gründen wäre auch ein etwaiges Kündigungsrecht aus § 490 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
Die Kündigung vom 18. 7. sei hingegen wirksam. Der Kündigungsgrund „eine allgemeine Schuldenregelung zu Gunsten ihrer Gläubiger anbietet“ sei vorliegend einschlägig. Das Restrukturierungskonzept nach §§ 5 ff. SchVG sei eine allgemeine Schuldenregelung. Die Auslegung müsse dabei auch die Wertung des § 305c Abs. 2 BGB einbeziehen. Auch aus Treu und Glauben sei die Kündigung nicht ausgeschlossen, da es keine Treue- und Sanierungspflicht der Anleihegläubiger dahin gehend gebe, der Emittentin im Krisenfall nicht aufgrund formal bestehender Rechte Kapital zu entziehen.
3. Das Urteil befasst sich mit der praxisrelevanten Situation, dass bei dem Emittenten einer Anleihe eine Restrukturierung erforderlich ist. Auch wenn das neue SchVG mit Beschlussmehrheiten neue Gestaltungsmöglichkeiten für Krisensituationen anbietet, bleibt das Hauptanliegen des einzelnen Anleihegläubigers, möglichst unbeschadet sein Investment zu schützen. Vor diesem grundsätzlichen Zielkonflikt zwischen Restrukturierung im Interesse auch der gesamten Gläubiger und Individualinteresse des Anlegers musste das OLG eine (typische) Kündigungsregelung auslegen. Das Urteil ist in seiner Begründung und im Ergebnis überzeugend.
Das OLG qualifiziert Anleihebedingungen wie die h. M. als AGB, die einer gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen (vgl. BGH ZIP 2005, 1410, dazu EWiR 2005, 853 (Reiff); BGH ZIP 2009, 1558, dazu EWiR 2009, 661 (F. Podewils)Hartwig-Jacob, in: Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, 2013, § 3 Rz. 50 ff.). Maßstab ist ein sachkundiger Anleger i. S. d. § 3 SchVG (Veranneman/Oulds, SchVG, 2010, § 3 Rz. 5). Als Besonderheit ist die Anleihe jedoch als Schuldverschreibung ein verbrieftes, an der Börse handelbares Wertpapier. Damit bildet sich der Preis der Anleihe vor allem am Markt. Eine Auslegung, die Vermögensverschlechterungen des Emittenten als eine Kündigungsmöglichkeit ansieht, läuft daher Gefahr, diesen Preisfindungsmechanismus zu unterwandern und damit das vom Anleger übernommene Spekulationsrisiko wieder auf den Emittenten abzuwälzen. Zudem besteht die Gefahr, die Restrukturierungsmöglichkeiten der §§ 5 ff. SchVG durch Kündigungen von Anleihegläubigern leerlaufen zu lassen. Überzeugend löst das OLG diese inhärenten Konflikte durch Abstellen auf die Anleihebedingungen. Das Verhältnis zwischen Emittent und Anleger wird durch die Anleihebedingungen geregelt (Müller, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rz. 15.331). Der Emittent legt die Bedingungen fest und ihm steht es frei, die Kündigungsmöglichkeiten entsprechend deutlich und restriktiv zu regeln. Unklarheiten müssen daher (wie auch bei sonstigen AGB) zu Lasten des Nutzers gehen. Zudem war es erklärtes Ziel des Gesetzgebers, die Sanierungsfreundlichkeit des SchVG zu erhöhen (Friedl, in: Friedl/Hartwig-Jacob, SchVG, 2013, § 1 Rz. 11). Die Einbeziehung des Beschlussvorschlags nach §§ 5 ff. SchVG unter den sehr weiten Wortlaut der betreffenden Kündigungsklausel ist daher sachgerecht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen