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Samstag, 29. August 2015

ZIP 2014, 845 Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts* Reform des Schuldverschreibungsgesetzes Das SchVG von 2009 hat seine Bewährungsprobe hinter sich. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes sind überdies die Rahmenbedingungen für die Umschuldung von Staatsanleihen verändert worden. Beides hat zum Teil dringlichen Bedarf einer Reform des SchVG deutlich werden lassen. Am ILF, Goethe-Universität Frankfurt, hat sich ein Arbeitskreis aus Praktikern und Wissenschaftlern gebildet, der den nachstehend abgedruckten Entwurf entwickelt hat und zur Diskussion stellt. // Auszüge daraus s. u.

3. Rechtsschutz gegen Mehrheitsbeschlüsse

Die wichtigste Funktion des Schuldverschreibungsgesetzes besteht darin, im Vorfeld einer Insolvenz die Anleihebedingungen rasch anpassen zu können und so die Sanierung des Schuldners auch im Interesse der Schuldverschreibungsgläubiger zu ermöglichen. Diese bedeutsame Funktion wird durch die derzeitige Ausgestaltung des Anfechtungsrechts gegen Gläubigerbeschlüsse und die damit verbundene Rechtsfolge der Aufhebung (Kassation) eines fehlerhaften Beschlusses in Frage gestellt. Die Praxis der letzten Jahre hat gezeigt, dass das dem Aktienrecht entlehnte Anfechtungsrecht im Schuldverschreibungsrecht konzeptionelle Schwächen aufweist. Das Interesse des überstimmten Gläubigers ist auf Vermögensschutz gerichtet, nicht auf die Aufhebung des Beschlusses insgesamt. Mit der Übertragung aktienrechtlicher Prinzipien in das Beschlussmängelrecht des Schuldverschreibungsgesetzes wurden den überstimmten Gläubigern auch die damit verbundenen Möglichkeiten zum Missbrauch eröffnet. Das mit dem bisherigen Anfechtungsrecht verbundene Missbrauchspotential ist im Anleiherecht bei eilbedürftigen Sanierungsbeschlüssen der Gläubiger im Vorfeld einer drohenden Insolvenz des Schuldners aber regelmäßig ungleich größer als bei aktienrechtlichen Kapitalmaßnahmen, Unternehmensverträgen und dergleichen. Im internationalen Anleihemarkt stellt das Anfechtungsrecht in seiner bisherigen Gestaltung einen wesentlichen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Rechtsordnungen dar. Daher ist die Umgestaltung der Beschlusskontrolle zu einem Recht auf Wertersatz des dissentierenden Gläubigers bei fehlerhaften Beschlüssen sowie einer ergänzenden Nichtigkeitsklage bei bestimmten besonders schwerwiegenden Rechtsverstößen geboten.



Das SchVG hat den individuellen Rechtsschutz der Anleihegläubiger gegen Gläubigerbeschlüsse der Anfechtungsklage des Aktienrechts nachgebildet. Praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass dieser auf den Schutz von Mitgliedschaftsrechten ausgerichtete gesellschaftsrechtliche Rechtsbehelf für das Schuldverschreibungsrecht aus mehreren Gründen konzeptionelle Schwächen aufweist. Die Durchführung eines angefochtenen Mehrheitsbeschlusses dient typischerweise der Vermeidung eines Insolvenzverfahrens des Schuldners und steht unter hohem Zeitdruck. Infolgedessen behindert die mit der Klageerhebung eintretende Vollzugssperre in Verbindung mit der Dauer des Freigabeverfahrens eine effektive Bewältigung von Unternehmenskrisen und begünstigt auch die Erhebung missbräuchlicher Anfechtungsklagen. Abgesehen davon stellt die bisher vorgesehene Anfechtungsklage, die als zwingende Rechtsfolge eines stattgebenden Urteils die Kassation eines fehlerhaften Beschlusses vorsieht, keinen sachgerechten Rechtsbehelf dar, weil bei einem Eingriff in die Rechtsstellung eines Schuldverschreibungsgläubigers durch Beschluss der Gläubigerversammlung ausnahmslos Vermögensinteressen, nicht Mitgliedschaftsrechte, in Rede stehen. Insofern erscheint ein auf Wertersatz als Regelfall ausgelegtes Rechtsschutzsystem auf die schuldverschreibungsspezifischen Besonderheiten besser zugeschnitten als ein auf bloße Kassation ausgerichtetes Beschlussmängelrecht. Daher empfiehlt sich eine grundlegende Weiterentwicklung der bisherigen Anfechtungsklage zu einer auf Feststellung der Wertersatzpflicht des Schuldners gerichteten Klage. Dabei kann auf zur Reform des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts angestellte Überlegungen zurückgegriffen werden. Denn auch im aktienrechtlichen Beeschlussmängelrecht wird die Rechtsfolge der Kassation zunehmend als nicht mehr angemessen angesehen.






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